Michel wird diese Woche 11 Jahre alt.
Wie jedes Jahr bin ich schon seit etlichen Tagen fleißig mit Geburtstagsvorbereitungen beschäftigt, drinnen und draußen. Im Haus saubermachen und aufräumen, im Garten Beete jäten, Stauden vermehren und Frühlingsblumen setzen ... Vielleicht liegt mein Eifer auch am Frühling und nicht nur an Michels bevorstehendem Geburtstag. Jedenfalls tut's mir richtig gut, die Arbeit.
Es macht mir Spaß und erdet mich. - Und das Ganze hat was mit Michel überhaupt zu tun. Denn sein Dasein hat auf mich die gleiche Wirkung: Es mag mich fordern, meinen Einsatz und meine Kraft beanspruchen, aber indem ich mache, was anliegt, wächst auch meine Kraft, meine Kompetenz, meine Bereitschaft, in die Verantwortung zu gehen, und die Fähigkeit dafür. Es erdet mich, es gibt mir Stabilität und ein inneres Gefühl von ... ja, ich kann's ruhig so nennen: Würde und eigener (und Fremd-) Wertschätzung. Wertschätzung überhaupt, für's Leben. Und so was wie Ehrfurcht und eine tiefe, mich tragende Dankbarkeit, für die Art und Weise, wie "das Leben geht" / wie "leben geht" . Wenn Michel nicht wäre, würde mir ein ganzes Stück Verbindlichkeit fehlen.
Und die ganzen Geschenke!! Angefangen mit Michel selbst. The one and only!
Die Kontakte, die durch sein Dasein entstehen, die Sichtweisen, die er mir eröffnet, die Umgestaltung des Wohnraumes, die ohne ihn ( und seinen Papa ) nicht vorgenommen würden. Um mal nur die dicken Brocken zu nennen. Vielleicht gibt diese Thematik mal einen Beitrag für sich.
Nun wird das Kind im Haus also 11! Das erste Lebensjahrzehnt ist vorbei, jetzt kommt die Teeniezeit! - Wir haben (so gut wie) alle 10 Geburtstage bisher draußen gefeiert, im Garten. Nur einmal waren wir im Haus. Fast jedes Jahr war schönes Wetter: Die Sonne scheint für Michel.
Weil mir hier die Tage, als ich im Bad stand, ganz klar ins Bewusstsein kam, dass Michel mir vom Leben geschenkt wurde, völlig unerwartet, unverhofft, quasi direkt aus dem Himmel in meine Arme fiel, dass ich das niemals selbst so geplant hätte, nie auf die Idee gekommen wäre, und dass DAS / ER / DIESES GESCHENK irgendwie das Schönste, Beste, Stärkste, das Nachhaltigste, mit der meisten Substanz ... wie kann ich es ausdrücken? ... in meinem Leben ist, und dass ich denke, so ist es mit allem: Das wirklich Essentielle schenkt uns das Leben. Was wir selbst wollen, planen, machen, ist dagegen ... mickrig? Nein. So auch nicht. Kreativität ist wundervoll! Und man muss das ja auch nicht vergleichen. Eher die Dinge, denen wir nachrennen, wenn's was mit Haben-wollen, Prestige-, Zwang-,Was-weiß-ich-Denken zu tun hat - dann wird's mickrig und substanzlos. Um es mit den weisen Worten von Hans Bemmann aus seinem Buch "Stein und Flöte" zu sagen:
Und jetzt teile ich an dieser Stelle den Artikel, den ich auf einen Aufruf der Hamburger Zeitschrift "KIDS - Magazin zum Down-Syndrom" hin schrieb als Michel ein gutes Jahr alt war.
Wie jedes Jahr bin ich schon seit etlichen Tagen fleißig mit Geburtstagsvorbereitungen beschäftigt, drinnen und draußen. Im Haus saubermachen und aufräumen, im Garten Beete jäten, Stauden vermehren und Frühlingsblumen setzen ... Vielleicht liegt mein Eifer auch am Frühling und nicht nur an Michels bevorstehendem Geburtstag. Jedenfalls tut's mir richtig gut, die Arbeit.
Es macht mir Spaß und erdet mich. - Und das Ganze hat was mit Michel überhaupt zu tun. Denn sein Dasein hat auf mich die gleiche Wirkung: Es mag mich fordern, meinen Einsatz und meine Kraft beanspruchen, aber indem ich mache, was anliegt, wächst auch meine Kraft, meine Kompetenz, meine Bereitschaft, in die Verantwortung zu gehen, und die Fähigkeit dafür. Es erdet mich, es gibt mir Stabilität und ein inneres Gefühl von ... ja, ich kann's ruhig so nennen: Würde und eigener (und Fremd-) Wertschätzung. Wertschätzung überhaupt, für's Leben. Und so was wie Ehrfurcht und eine tiefe, mich tragende Dankbarkeit, für die Art und Weise, wie "das Leben geht" / wie "leben geht" . Wenn Michel nicht wäre, würde mir ein ganzes Stück Verbindlichkeit fehlen.
Und die ganzen Geschenke!! Angefangen mit Michel selbst. The one and only!
Die Kontakte, die durch sein Dasein entstehen, die Sichtweisen, die er mir eröffnet, die Umgestaltung des Wohnraumes, die ohne ihn ( und seinen Papa ) nicht vorgenommen würden. Um mal nur die dicken Brocken zu nennen. Vielleicht gibt diese Thematik mal einen Beitrag für sich.
Unser neues Obergeschoß, aufgräumt und abgestaubt! |
Nun wird das Kind im Haus also 11! Das erste Lebensjahrzehnt ist vorbei, jetzt kommt die Teeniezeit! - Wir haben (so gut wie) alle 10 Geburtstage bisher draußen gefeiert, im Garten. Nur einmal waren wir im Haus. Fast jedes Jahr war schönes Wetter: Die Sonne scheint für Michel.
Weil mir hier die Tage, als ich im Bad stand, ganz klar ins Bewusstsein kam, dass Michel mir vom Leben geschenkt wurde, völlig unerwartet, unverhofft, quasi direkt aus dem Himmel in meine Arme fiel, dass ich das niemals selbst so geplant hätte, nie auf die Idee gekommen wäre, und dass DAS / ER / DIESES GESCHENK irgendwie das Schönste, Beste, Stärkste, das Nachhaltigste, mit der meisten Substanz ... wie kann ich es ausdrücken? ... in meinem Leben ist, und dass ich denke, so ist es mit allem: Das wirklich Essentielle schenkt uns das Leben. Was wir selbst wollen, planen, machen, ist dagegen ... mickrig? Nein. So auch nicht. Kreativität ist wundervoll! Und man muss das ja auch nicht vergleichen. Eher die Dinge, denen wir nachrennen, wenn's was mit Haben-wollen, Prestige-, Zwang-,Was-weiß-ich-Denken zu tun hat - dann wird's mickrig und substanzlos. Um es mit den weisen Worten von Hans Bemmann aus seinem Buch "Stein und Flöte" zu sagen:
Hast du inzwischen nicht begriffen,
dass man nie bekommt,
was man sich nimmt,
sondern nur das,
was einem geschenkt wird?
* * * * * * * * * * *
Und jetzt teile ich an dieser Stelle den Artikel, den ich auf einen Aufruf der Hamburger Zeitschrift "KIDS - Magazin zum Down-Syndrom" hin schrieb als Michel ein gutes Jahr alt war.
Ich schrieb darin mein Erfahrungen und mein Empfinden nieder und das ... war gut.
Wir haben ein Kind mit Down-Syndrom
Er heißt
Michel und wurde am 20. April 2007 geboren. Die Geburt war ein geplanter
Kaiserschnitt, weil ich Myome in der Gebärmutter hatte und der natürliche Weg
nicht frei war.
Wir wussten
das vorher nicht, dass Michel das Down-Syndrom hat. Wir hatten keine
Fruchtwasser-Untersuchung machen lassen, denn wenn da „was festgestellt“ worden
wäre … man weiß doch nie, was das für ein Mensch ist, der da rauskommt, und ich
hätte mir/wir hätten uns dann nur ein paar Monate lang Sorgen gemacht. Um
ungelegte Eier quasi.
Die Geburt
war – ich weiß nicht, wie ich das be-schreiben soll. So ganz neu, noch nie
da-gewesen. - Am Tag vorher war ich traurig, dass morgen die Schwangerschaft
zuende sein sollte. Und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass das Kind dann da wäre. (Michel ist mein
erstes Kind und ich war 42 als er zur Welt kam.) - Und es war dann so: Ich
konnte gar nichts machen, war völlig ausgeliefert, musste mich dem, was (mit
mir) geschah einfach hingeben, vertrauen, den Geschehnissen, den Menschen. - Und ich wurde getragen, gehalten. Alle waren
sehr professionell und jede/jeder auf seine ganz individuelle Art menschlich
und klasse. Diese Geburt war klasse! Für mich. Von außen betrachtet
wahrscheinlich gar nichts Besonderes und halt ein sehr irdischer Vorgang, noch
dazu nicht besonderes natürlich. – Ich hatte die Vorstellung, früher mal, falls
ich je ein Kind gebären sollte, dann würde ich das in einer roten Höhle, die
man sich ja zu diesem Anlass hätte einrichten können mit Tüchern und Decken,
und bei Trommelmusik tun. – Und jetzt lag ich da in der Uni-Klinik (!! Noch
nicht mal in einem Geburtshaus oder
einer Hebammen-Praxis, geschweige denn zuhause!), im gekachelten und gestählten
OP-Raum (!! Noch nicht mal in einem der hübschen Entbindungszimmer!) und Musik
lief auch keine, jedenfalls habe ich keine wahrgenommen, aber irgendwie, ich
weiß auch nicht, war nicht nur die irdische Ebene präsent, sondern das waren
alles Engel in Menschengestalt und ein paar unsichtbare Engel waren auch noch
da. Das war nicht rein irdisch. Oder vielleicht irdischer als sonst. Ich war so
ganz tief drin, so verbunden und doch so weit weg, so frei. Ich kann das nicht
beschreiben, mir fehlen die Worte dafür.
Schlecht war
mir auf einmal auch, von der Spinal-Betäubung. Als sie mich zugenäht hatten und
ich Michel das erste Mal in den Arm gelegt bekam, hatte ich Angst, ich müsste
mich übergeben. Musste ich aber nicht. Und sie haben mir den Michel auch nicht
lange gelassen, sondern wieder weggenommen und irgendwas gesagt von „muss in
die Kinderklinik“, und irgendein Wert sei „nicht gesättigt“. Ich war nicht ganz
klar. Dirk saß neben mir, Michels Papa. Dann kam ein Kinderarzt ins Zimmer, in
rotem Kittel, der setzte sich ans Fenster und erzählte in etwas bemüht
unbeschwertem Tonfall und ein bisschen gezwungen heiter aufgesetzter Miene was
von Verdacht auf Down-Syndrom und es würde noch eine Blutuntersuchung gemacht,
um sicherzugehen. Ich sah vor meinem
inneren Auge Gesichter von Menschen mit Down-Syndrom, von „gesund, halt nur
anders“ mit dem Gefühl: ‚Dieser Mensch ist eine Bereicherung für seine
Mitmenschen‘ bis „liegt im Spagat mit dem Oberkörper flach auf dem Boden, rollt
die Zunge im offenen Mund und kann auch sonst nichts“ mit einem beklemmenden
Gefühl von Betroffenheit und Hilflosigkeit. Und ich dachte: ‚Was redet der da?
Mein Kind?‘ und ich wollte es nicht wahrhaben.
Den Rest des
Tages verbrachte ich“ im Tran“ und dann fingen auch die Schmerzen an, als die
Betäubung nachließ. Trotzdem war ich da schon in diesem „behüteten Space“ , der
die ganze erste Woche von Michels Leben, die wir in der Klinik verbrachten, da
war.
Michel sah
ich dann wieder in der Nacht als ihn mir eine Hebamme aus dem Kinderzimmer
brachte weil er aufgewacht war und Hunger hatte. Da hatte er die Augen zu. Und
den ganzen folgenden Tag machte er sie auch nicht auf, auch nicht, wenn er wach
war. Und ich dachte: ‚Ach, der wird das nicht haben. Die irren sich. Der Befund
der Blut-Untersuchung wird negativ sein.‘
Aber als er die Augen das erste Mal aufmachte, da sah ich, dass er „es“
doch hat. Als ich mit Dirk telefonierte, sagte ich ihm das. Dass Michel „das“
hat. Naja. Und dann hat er’s halt. Dirk wusste sowieso nicht so recht, was das
überhaupt ist. Ich selbst hatte schon Menschen mit Down-Syndrom kennengelernt
als ich im Rahmen meiner Erzieher-Ausbildung ein Praktikum in einer
Behinderten-Werkstatt gemacht hatte. (Wie es mir widerstrebt, dieses
„Behinderten“-Werkstatt zu schreiben. Heißt das eigentlich wirklich so oder
führt es eine andere Bezeichnung? ) Aber ich kannte nicht wirklich einen, bei
uns im Ort oder in der Umgebung, da war weit und breit keiner. O wei! Michel,
mein Sohn – der einzige Mensch mit Down-Syndrom weit und breit! Meine erste
Angst war, dass meine Nachbarn oder andere Rüpel zu Michel „Spast“ sagen
könnten und zu mir:„Selbst schuld! Bist schon so alt!“ – Diese Angst ist
übrigens völlig verschwunden und sollte wirklich mal einer sowas sagen, würde
ich ihm für den „Spast“ eine scheuern, denke ich im Moment, und dem „selbst
schuld, weil zu alt“ gar keine Beachtung schenken. - Als Nächstes überlegte ich
mir, was ich geantwortet hätte, wenn ich vorher, vom Himmel oder so, gefragt
worden wäre, ob ich ein Kind mit Down-Syndrom nehmen würde oder gar will. Und
ich erkannte, dass ich mich nicht getraut hätte, JA zu sagen, eben weil ich
mich nicht getraut hätte, so aus dem Rahmen zu fallen, aber jetzt, wo ich’s
hatte, da fühlte ich mich zutiefst geehrt und auf’s wunderbarste beschenkt.
Dieses Empfinden keimte da schon mit Macht in mir auf. Da ahnte und wusste ich
schon, dass das mit Michel nichts Schlimmes ist, sondern eher so eine Art
Zugabe. Halt ein Chromosom mehr in jeder seiner Abermillionen Zellen.
Aber zwei,
drei Tage, um den Sachverhalt wirklich vollkommen anzunehmen, habe ich schon
gebraucht. Ich habe nicht wirklich dagegen angekämpft. Ich habe nicht gedacht:
‚Warum ich/warum wir? Kann er nicht einfach „normal“ sein?‘ - Irgendwie hat
mein tiefstes Inneres sich da schon hüpfend gefreut über dieses ganz besondere
Geschenk. - Im ersten Moment wollte ich es nicht wahrhaben, wie gesagt, aber
eher mit der Intention, dass ich nicht (schon wieder, oder vielleicht eher: so
offensichtlich) anders sein wollte als die anderen, dass ich meinte, mich das
nicht zu trauen, dachte, ich hätte nicht den Mut dazu. Aber ich bin ganz
schnell und sanft dahin gekommen, zu empfinden, dass es gar keinen Mut braucht,
dass es einfach selbstverständlich so ist, dass es nur Annahme braucht und dass
es eine – am liebsten würde ich jetzt schreiben: gewaltige – eine große Ehre
und das allerschönste Geschenk ist, das mein Leben mir gemacht hat, bis jetzt,
Michels Mama zu sein.
Das mit dem
„einen Chromosom mehr in jeder seiner Abermillionen Zellen“ ist übrigens eine
Aussage von Conny Rapp in ihrem
Foto-Buch „Außergewöhnlich“. Das hatten sie in der Klinik im Schwesternzimmer
und gaben es mir zur ersten Info. Ich glaube, dieses Buch hat mir auch gleich
geholfen, das Ganze sanft anzunehmen, (Hirn-)Gespinste zu neutralisieren, gar
nicht erst aufkommen zu lassen, einfach durch die Bilder und durch die wenigen
Texte. Für mich war das gerade das Richtige für eine erste Info. Für mich war
an diesen ersten Tagen in der Klinik sowieso alles „irgendwie genau richtig“.
Ich habe mich so beschützt und geführt gefühlt.
Am dritten
oder vierten Tag, als das positive Ergebnis des Bluttestes dann auch vorlag,
gab uns der „Kinderarzt im roten Kittel“
ein Informationsgespräch über das Down-Syndrom. Das war auch klasse! Wie
soll ich das sagen? Die Menschen waren alle so wunderbar, so bemüht um uns und
um Michel. So voller Liebe. Die haben ihn auch einfach gleich (an)genommen, wie
er war, und vielleicht uns zwei, Vater und Mutter, erstmal etwas beäugt, wie
wir das Ganze aufnehmen und damit umgehen. Dr. Raab (im roten Kittel) sagte in
diesem Gespräch auch, dass viele Eltern, die ein Kind mit Down-Syndrom
bekommen, erstmal eine ganze Woche lang weinen. Geweint hatte ich auch, aber
die ersten Tränen, wegen des erkannten Down-Syndroms, das waren irgendwie so
Unsicherheitstränen, im Sinne von: in so einer Situation muss man weinen, und die nächsten Tränen, die
ich wegen Michels Down-Syndrom vergoss, die waren, weil ich so berührt war von
Texten aus Conny Rapps Buch, als sie das schreibt mit den Schutzengeln und die
Geschichte von „Holland statt Italien“.
Es war
heilig, was geschehen ist. Die ganze Zeit in der Klinik habe ich das so
empfunden. Und als wir nachhause kamen, war der Raps hinter unserem Hof ganz
hochgewachsen und blühte üppig. Wir saßen auf der Bank in der Sonne und auch
hier fühlte ich, dass das alles genauso
sein soll (!!!!), dass das höhere Fügung ist, ein Geschenk des Himmels,
dass wir beschützt und geführt sind. Die Amseln in unserem Garten hatten auch
Junge bekommen. Schröder, unser Hund, hat mal kurz über Michel drüber
geschnuppert und war dann gar nicht weiter an ihm interessiert. Das hat gut
geklappt mit Michel und Schröder, denn ich dachte vorher, vielleicht könnte es
da Schwierigkeiten geben, weil Schröder solange als Hund ohne Kind war. Auch
die Katzen haben sich prima in die neue Situation eingefunden, die durften
nämlich mit Michels Ankunft nicht mehr überall
auf den Sesseln und dem Sofa liegen, sondern nur noch im Flur. Und das
haben sie ohne großes Aufhebens getan.
Meine
Eltern, Michels Oma und Opa, waren wohl zuerst etwas betroffen. (Sie selbst
haben, als ich sieben Jahre alt war, ein Kind verloren, von dem es hieß, es
wäre „behindert“ gewesen. Es starb einen Tag nach seiner Geburt. ) Michels
andere Oma wohnt in Wuppertal, die ist etwas weiter weg und konnte nicht in die
Klinik kommen. (Wir leben in Hessen in der Wetterau und die Klinik war die
Uni-Klinik in Gießen.) Die hat auch die ersten Tage über „dieses Schicksal“
geweint. Auch sie hat eine Vorgeschichte: Ihre Schwester hatte ein Kind mit
Down-Syndrom, ein kleines Mädchen, das nach fünf Monaten starb. … Jetzt lieben sie
den Michel alle heiß und innig und sein Down-Syndrom ist kaum Thema. – Ich habe
nur positive Erfahrungen gemacht. Mir fällt kein einziger ein, der komisch
geschaut oder eine blöde Bemerkung gemacht hätte wegen Michel. Ich selbst bin
noch am … ausprobieren, wie ich damit umgehe. Am Anfang habe ich immer gleich
gesagt:“Er hat das Down-Syndrom.“ Weil ich nicht wollte, dass jemand denkt, ich
wolle das verheimlichen. Dann habe ich gemerkt, dass ich diese Erklärung gar
nicht immer geben will. Michel ist Michel. Und dieses „Er hat das Down-Syndrom“
erzeugt meines Empfindens nach manchmal so viele Konstrukte, Vorstellungen,
(Hirn-) Gespinste, die uns unserer Freiheit berauben. Der Freiheit, so zu sein, der Freiheit, einfach
einander zu begegnen, ohne vorgefasste Meinungen. – Aber: ist das nicht, auch
wenn jemand kein Down-Syndrom hat, auch so? … Hm? …
Mir begegnen
z.Zt. „an jeder Ecke“ Menschen, die mir von den Besonderheiten ihrer Kinder
erzählen: Der eine hat mit über einem Jahr noch keine Zähne, die andere rollt
sich nur über den Boden und will mit 15 Monaten noch nicht krabbeln und der
nächste hat mit drei Jahren nur „Gäng-gäng“ gesagt – später in der Schule war
er in Deutsch der Beste. Mir erzählt also gerade jeder, wie groß die Vielfalt
menschlicher Entwicklung und menschlichen Ausdruckes ist, unabhängig davon, ob
da eine genetische Veränderung diagnostiziert ist oder nicht. Auch die
Unsicherheiten, die ich habe, z.B. ob ich auf mein Gefühl hören soll oder auf
den Rat des Kinderarztes, der etwas anderes sagt, hat nichts mit Michels
Down-Syndrom zu tun. Das haben Mütter „normaler“ Kinder auch. … - … - …
Uns
fehlen so viele Begriffe! Bzw. wir haben so viele Begriffe, die uns so sehr
einschränken!!! Richtig schlimm ist das!!
„Normal“, „behindert“ … und überhaupt die Vorstellungen, wie was zu sein hat.
Damit schneiden wir uns vom Leben ab. Von der Liebe, von der Freiheit, von der
Lust am Leben, vom tiefen, tiefen Frieden.
Ich bin so
dankbar für den Michel! Was durch ihn alles neu wird! Neu, noch nie dagewesen
und so wunderbar! Allein, dass ich jetzt hier sitze und diesen Artikel
geschrieben habe für die Zeitschrift KIDS, ob er nun gedruckt wird oder nicht,
setzt in mir Prozesse in Gang und öffnet bisher Verschlossenes in mir was mich
glücklich und frei macht. Und das wünsche ich auch meinem Kind: Ein glückliches
und freies Leben! Und uns allen!
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